Was wäre Luther ohne seine 95 Thesen? Was wäre ein Luther- Jubiläum ohne Thesen? 500 Jahre später hat auch Niedernhausen 95 Thesen bekommen. Die Christen der evangelischen Christuskirche haben sie zusammen getragen.
68 verschiedene Personen hatten insgesamt 140 Thesen eingereicht. Daraus wurden 95 Thesen nach dem folgenden Verfahren ausgewählt:
Die Thesen wurden in alphabetischer Reihenfolge und ohne Angabe des Autors an alle Jurymitglieder versendet. Die Jury bestand aus 17 Personen, die sich aus den Teilnehmern von Kirchenvorstand, pastoralem Team und Projektgruppe Reformation zusammensetzen. Diese 17 Personen haben jeder für sich ihre ganz persönlichen Thesen gewählt. Das Ergebnis wurde zusammengeführt und eine Summe über die 17 Stimmen gebildet. Die 95 Thesen mit den meisten Stimmen stellen nun die 95 Niedernhausener Thesen dar. Sie stammen von 50 verschiedenen Autoren.
Die Reihenfolge der unten aufgeführten Thesen stellt aber keine Reihenfolge der Stimmen dar. Vielmehr wurden sie den folgenden Oberbegriffen zugeordnet: Miteinander, Schöpfung, Gesellschaft, Theologie, Kirche, Glaube, Gottesdienst, Leitung, Sonstiges. Innerhalb des Oberbegriffs sind die Thesen dann alphabetisch sortiert.
- An Gottes Segen ist alles gelegen. Aber Segen ist nur möglich mit den Menschen um uns herum, die ihn geben oder empfangen.
- An unseren Taten soll man uns erkennen, nicht an unseren Sprüchen.
- Christen werden unglaubwürdig, wenn sie christliche Werte verkünden und einfordern, aber selbst nur oberflächlich oder gar nicht danach handeln. Dazu gehört auch wertschätzende Kommunikation.
- Den Schwachen muss solange besondere Aufmerksamkeit zukommen, bis sie am allgemeinen Wohlstand teilhaben. Wir brauchen Fantasie für die Gerechtigkeit.
- Die Armen sind eine besondere Aufgabe und Herausforderung für die Kirchengemeinde. Ihnen sollen die Gemeindemitglieder mit Liebe, Geduld und Respekt begegnen.
- Die Gesellschaft soll mehr auf die arme Bevölkerung achten. Den Obdachlosen sollte man mehr Unterstützung zukommen lassen.
- Ein jeder soll den Mut aufbringen sich aufzulehnen, wenn Ungerechtigkeit gegen sich selbst oder bei anderen erkennbar wird.
- Ein jeder soll Gnade und Toleranz anwenden, anstatt Rechtsansprüche bis zum bitteren Ende zu strapazieren. Dies wäre ein Beitrag zu einer friedlicheren und christlicheren Welt.
- Es gäbe weniger Armut, wenn wir mehr teilen würden.
- Gott, Kirche + Gemeinde stärke (auch) die Starken, damit sie den „Schwachen" helfen mögen.
- Ich denke, dass man durch sein tägliches Handeln die Welt zu einer besseren machen kann und wenn es nur ein kleines bisschen ist.
- Ich fände es schön, wenn es weniger Egoismus und Rücksichtslosigkeit auf der Welt gäbe. Die Welt muss wieder menschlicher werden.
- Ich finde es nicht gut, wenn Leute nicht respektiert werden, nur weil sie ein anderes Aussehen oder einen anderen Glauben haben.
- Ich finde man sollte nicht durch Gruppenzwang seine Meinung ändern, und dadurch vielleicht einer Person in einer kritischen Lage nicht helfen.
- Jeden Tag eine gute Tat - und Gott und unser Herz werden lachen!
- Man soll sein Hab und Gut teilen mit den Bedürftigen. Das für die eigene Haushaltsführung Notwendige darf man behalten.
- Nur wenn wir unseren Wohlstand mit anderen teilen, können wir in Frieden leben.
- Wenn jeder Mensch einfach nur nach den 10 Geboten lebt und handelt, gibt es keinen Krieg und weniger Leid und Elend auf der Welt und für die Menschen.
- Wenn jeder Mensch etwas mehr an Verständnis und Hilfsbereitschaft zeigen würde, wäre das Leben um einiges einfacher.
- Wenn man miteinander redet, kann man danach miteinander arbeiten, am besten auf 4 Ebenen: Organisatorisch planend, inhaltlich hinterfragend, spirituell betend, persönlich wertschätzend.
- Wenn wir alle weniger Forderungen an die Allgemeinheit stellen und uns stattdessen mit eigenem Dienen öfter einbringen, können wir gemeinsam viel erreichen.
- Wir sind achtsam mit unseren Nächsten: Wir gehen so miteinander um, dass Andere sich von unserer Gemeinschaft angezogen fühlen. Wir helfen uns untereinander. Wir hören einander zu und ziehen nicht übereinander her.
- Fair Trade Produkte kaufen sichert Menschen in der „Dritten Welt" faire Bezahlung.
- Um unsere Umwelt zu schützen, sollten wir unbedingt den Blick auf ein „Plastik-reduziertes" Leben richten und noch mehr schauen, wo wir weniger Auto fahren bzw. mehr zusammen fahren können
- Wir haben von unserem Vater die Verantwortung übertragen bekommen, die Schöpfung für unsere Kinder zu bewahren.
- Wir sind achtsam mit Gottes Schöpfung: Wir leben so, dass unsere Erde auch für unsere Kinder noch ein lebenswerter Ort ist. Wir gehen sparsam mit natürlichen Ressourcen um. Wir achten Gottes Kreaturen und schützen ihren Lebensraum.
- Wir sind achtsam mit uns: Wir kennen unsere Gaben und konzentrieren uns auf unsere Stärken. Wir leben so, dass wir auch morgen noch unsere Aufgaben in Familie, Beruf und Gemeinde mit Freude und voller Liebe erfüllen können.
- Wir sollen weitergeben von dem, was wir als Gaben erhalten haben. Wir haben nicht zu wenig Nahrung auf der Erde, wir haben sie nur schlecht verteilt. Es ist nicht mein, sondern unser Brot.
- Wir sollten in einer immer ruheloseren Gesellschaft den Sonntag wertschätzen und erhalten. Wir haben ihn bekommen, um die Schöpfung zu genießen, das Leben zu feiern, Gemeinschaft zu erleben und innerlich zu reifen.
- Zur Schöpfung Gottes gehört auch die Natur. Christen sollen ihre Ernährungsgewohnheiten überdenken. Tierfabriken liefern krankmachendes Fleisch, sorgen mittelbar für die weitere Verelendung der „Dritten Welt" und die Verseuchung unseres Trinkwassers.
- Alte Menschen sollten in der Kirchen- und Ortsgemeinde hohe Achtung genießen. Wir können viel von ihnen lernen, wenn wir die Zeit aufbringen, ihnen zuzuhören.
- Christen sollten wegen der jetzigen weltpolitischen Lage, die durch starke Christenverfolgung gekennzeichnet ist, ihre konfessionellen Streitigkeiten schnell beenden und sich gegenseitig unterstützen!
- Die Kirchengemeinde soll ein wohltuender und wahrnehmbarer Kontrast zur sonstigen Gesellschaft sein.
- Die wirkliche Alternative für Deutschland: Umkehr, Buße, Annahme der Vergebung und ein erlöster Aufbruch in eine gemeinsame Zukunft. Das ist wirklich alternativlos.
- Du hörst sie rufen: „Ich zuerst! Mein Land zuerst!“ Dann widerspreche und rufe: „Christus zuerst!“ Alles andere ist aus der Angst geboren – und nicht aus dem Geist der Liebe.
- Gleichberechtigung: Frauen und Männer unterscheiden sich weniger als sich zwei Individuen unterscheiden! Jeder ist anders! Dafür sollte sich die Gemeinde und jeder Einzelne einsetzen.
- Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein! Waffen schaffen ganz offensichtlich keinen Frieden. Wir brauchen Fantasie für den Frieden. Selig sind, die Frieden stiften.
- „Postfaktisch“ meint: die Welt so zu sehen, wie ich sie sehen möchte. „Christlich“ bedeutet: Die Welt so zu sehen, wie Gott sie gemeint hat. Das ist etwas völlig anderes als „postfaktisch“.
- Wahrheit, Klarheit und Liebe trägt unsere Gemeinschaft.
- Wehrt den Anfängen der Zerstörung des Friedens in unserem Land. Tretet Hassbekundungen beherzt entgegen. Setzt Zeichen der Solidarität mit den Gemobbten. „Sucht den Frieden und jagt ihm nach!" (Ps. 34,15)
- Christen folgen Jesus nach, hören auf seine Worte, lieben ihn von ganzem Herzen und mit all ihrer Kraft. Ihre Glaubenstreue zeigt sich in ihren Worten und Taten, sowie in ihrem Lebensstil.
- Christen sind Gottes geliebte Kinder. Darum sollen sie allen mit Barmherzigkeit, Güte, Nachsicht, Bescheidenheit und Geduld begegnen. An der Liebe Jesu wird man seine Gemeinde erkennen.
- Christen sollten sich vereinen, um gemeinschaftlich ihre Werte zu vertreten.
- Die Vielfalt der christlichen Religionsformen darf nicht zu Konflikten (bis hin zu Kriegen) führen. Die Ausübung christlicher Nächstenliebe braucht keine Regeln.
- Eine Religion soll nicht durch kriegerische Handlungen missbraucht werden. Da alle Religionen im Kern friedlich sind.
- Jeder soll seinen Glauben frei ausüben dürfen und dafür nicht verfolgt oder gehasst werden.
- Kartenlesen, Horoskope, Glücks- und Unglückszahlen usw. sind Aberglaube und widersprechen meinem 1. Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott".
- Ökumene: Die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in Niedernhausen arbeiten zusammen: Konkret z.B. Musikgruppen der verschiedenen Gemeinden spielen bei den jeweils anderen -> neue Impulse.
- Die Kirche muss im öffentlichen Leben sichtbar werden.
- Die Kirche soll klar Stellung zu gesellschaftspolitischen Themen aus christlicher Sicht beziehen.
- Die Kirche soll sich noch stärker für die aufgrund ihres Glaubens in vielen Ländern verfolgten Christen einsetzen.
- Die Kirche sollte den Maßstab des Wortes Gottes anwenden und nicht den jeweils angesagten Trends in der Gesellschaft folgen.
- Es ist gut und wichtig, wenn die Kirche die Familien unterstützt. Das Familienleben ist oft, auch vom gesellschaftlichen Rahmen her, anspruchsvoll. Gemeinschaft ist ein Segen fürs Familienleben.
- Ich finde es gut, dass es Kirchen gibt, um einen Ort zu haben, wo man Gott näher kommen kann.
- In Zeiten, wo sich unchristliches Reden + Handeln zunehmend verstärkt, hat sich Kirche deutlich hörbar einzumischen.
- Kirche soll sich auch politisch einmischen. Wo Demokratie, Freiheit und Recht in Gefahr sind, müssen Christen dagegenhalten.
- Christliche Gemeinschaften sollen die Vielfalt an theologischen Überzeugungen und Ritualen akzeptieren und zur Teilnahme daran gegenseitig einladen.
- Die Christen sollten sich wieder auf den Kern ihres evangelischen Glaubens besinnen. Keine „Beliebigkeit" im Glauben zulassen, Grenzen ziehen ohne auszugrenzen.
- Die Liebe + Gnade Gottes ist seine wunderbare mütterliche / väterliche Zuwendung zu uns Menschen, aber kein Ruhekissen der Untätigkeit.
- Die Liebe zu Gott erfüllt sich in unserer Liebe zu unseren Mitmenschen.
- Du bist von Gott umgeben, Tag und Nacht. Es gibt keine Situation, in der du ohne ihn leben musst.
- Durch Gnade allein nehme ich, euer Gott, euch an. Gute Werke sind Ausfluss meiner Gnade, aber nicht die Voraussetzung.
- Es braucht wieder mehr gläubige Männer in den Gemeinden!
- Es gibt nicht nur einen Weg zu Gott! Auch wenn es manchmal schwierig ist zu erkennen, ob es der richtige ist - seien wir tolerant für andere Zugänge, auch in unserer Kirche.
- Es ist gut, wenn Eltern für ihre Kinder regelmäßig beten, von Geburt an bis ins Erwachsenenalter. So kann Gott in ihnen wirken und sie segnend durch ihr Leben begleiten.
- Es liegt viel Kraft und Segen darin, wenn Eltern ihren Kindern von Gott erzählen, aus der Kinderbibel vorlesen und mit ihnen beten: Dadurch lernen sie Gott besser kennen und lieben.
- Glaube stellt mich in eine Gemeinschaft: Die weltweite Kirche und die Gemeinde vor Ort. Er wirkt ins soziale, gesellschaftliche, politische Leben und wird aus einer lebendigen Beziehung zu Jesus genährt.
- Glaube, Liebe, Hoffnung, die Liebe aber sei das Größte unter ihnen. Den Anderen in Liebe begegnen.
- Gott beschützt die, die an ihn glauben.
- Im Dschungel der Großstadt verlässt du dich auf dein Navi. Aber im Dschungel deines Herzens willst du dich ohne gültige Richtschnur, ohne funktionierenden Kompass - und ohne Gott - zurechtfinden?
- Man soll Christen ermutigen Christus nachzufolgen und sich nicht durch die Einhaltung von Regeln den Himmel zu erkaufen.
- Möge unser Leben erfüllt sein von viel kleinem und großem Dank gegenüber Gott und unseren Mitmenschen.
- Spirituell ist gut. Gott preisen ist gut. Aber ohne Taten von uns Menschen macht das alles keinen Sinn! Deshalb lasst uns auch nicht nur Lobpreis singen!
- Täglich Gott für die kleinen und großen Dinge des Alltags „Danke" sagen, sollen wir nie vergessen.
- Tatkräftig wollen wir andere Gemeindemitglieder unterstützen, in ihrem Glauben zu wachsen. Die Priesterschaft aller Gläubigen soll stärker sichtbar sein.
- Über allen Schicksalsschlägen und Herausforderungen wollen wir nicht das Schöne und Gelungene übersehen, das uns jeden Tag umgibt.
- Weniger ist mehr. Verzicht kann Wege zu Gottes Nähe öffnen.
- Wenn wir an Christus glauben, brauchen wir den Tod nicht zu fürchten, sondern nur die mit Angst und Selbstmitleid vergeudeten Tage.
- Wenn wir Christen uns ganz nah bei Gott aufhalten (Gottesdienst, Gemeinschaft mit anderen Christen, Gott bezeugen in der Tat), können wir besser durch schwierige Lebenssituationen gehen.
- Wir Christen sollten bereit sein, anderen Menschen von unserem Glauben, unserer Hoffnung und unseren persönlichen Erfahrungen mit Gott zu erzählen – Gott zur Ehre.
- Wir sind achtsam in unserer Beziehung mit Gott: Wir vertrauen auf Gott in guten wie in schlechten Zeiten. Wir haben regelmäßig eine stille Zeit. Wir laden Gott ein, in unserem Herzen Platz zu nehmen und dort zu verweilen.
- Der Gottesdienst in der ev. Kirche am Sonntagmorgen um 10 Uhr ist mit moderner Musik und zeitgemäßer Sprache gestaltet. Geh mal wieder hin!
- Der Gottesdienst soll fröhlich und würdevoll zugleich sein.
- Die Christuskirche soll sich verstärkt aktiv den ev. Christen zuwenden, die den Kontakt zur Kirche verloren haben und Veranstaltungen und Aktivitäten auf sie ausrichten. Wer diese immer nur für andere aktive Gemeindemitglieder konzipiert, brät im eigenen Saft.
- Die Meinungs-, Lebens- und Glaubenserfahrung von Gemeindemitgliedern soll ernst genommen und wertgeschätzt werden. Sie soll mit einbezogen werden in die Lehre und Praxis.
- Grundlegende Konzepte sollten nach einiger Laufzeit überprüft werden, denn der gesellschaftliche Kontext ändert sich, und Kirche soll auch den Menschen gegenüber bedürfnisorientiert sein.
- Mehr Männer braucht die Gemeinde! Das Gemeindeleben wird zunehmend von Frauen geprägt. Männliche Sicht- und Denkweisen kommen zu kurz. Männer werden zu wenig angesprochen.
- Nicht alles, was in einer Kirchengemeinde machbar ist, ist immer auch sinnvoll. Da ist „weniger“ manchmal „mehr“.
- Nicht möglichst viel, sondern das Richtige tun. Der Weg dahin beginnt damit, unsere Aufgabe herauszufinden, Prioritäten zu setzen, auf Nachhaltigkeit zu achten und schließlich vertrauensvoll loszulassen.
- Der arbeits- und einkaufsfreie Sonntag ist wichtig, um zu Gott kommen zu können, wieder Ruhe und Zeit erleben zu können und Zeit für und mit der Familie zu haben.
- Gott ist ein Freund des Lebens und er will, dass wir ein Leben in Fülle haben. Auch deshalb ist Jesus auferstanden, um uns Gottes Willen kundzutun.
- Gottes Liebe ist die Kraft, die uns trägt und unser Leben reich macht.
- Gottesdienst ist die Grundlage unseres Christseins, das aber erst durch den Dienst am Menschen Wirkung entfaltet.
- „Kirche ist nur dann Kirche Jesu, wenn sie für andere ist", E. Lange. D. h. die Ortsgemeinde bezeugt Jesus, indem sie sich diakonisch Bedürftigen zuwendet + Sinnsuchende einlädt, Jesus kennen zu lernen.
- Unser Gott hat uns Essen, Trinken, Freunde, Musik, Fröhlichkeit gegeben, damit wir das Leben feiern können.