(Lesehinweis: Wer wenig Zeit hat überspringe den ersten Teil)
Im Advent hängen in den Kirchen die liturgischen Kirchenfarben wie in der Passionszeit: lila. Denn Adventszeit ist Bußzeit ! - Hä ? Wie passt das denn mit Weihnachtsmarkt, Glühwein, Plätzchen und Gänsebraten zusammen ? Gar nicht - es passt überhaupt nicht zum eigentlichen Sinn dieser Zeit.
Im Advent hängen in den Kirchen die liturgischen Kirchenfarben wie in der Passionszeit: lila. Denn Adventszeit ist Bußzeit ! - Hä ? Wie passt das denn mit Weihnachtsmarkt, Glühwein, Plätzchen und Gänsebraten zusammen ? Gar nicht - es passt überhaupt nicht zum eigentlichen Sinn dieser Zeit.
Deshalb ist es in der kirchlichen Tradition nämlich so: Der Advent ist die Vorbereitungszeit für das Kommen Gottes in die Welt, das wir an Weihnachten feiern. Das Mega-Ereignis der Weltgeschichte, auf das mit einer neuen Zeitrechnung reagiert wurde. Innere Vorbereitung ist immer mit Verzicht leiblicher Genüsse verbunden. Das eine lässt oder reduziert man, damit das andere, innere mehr Raum gewinnen kann.
Leider haben wir das in unserer Gesellschaft komplett auf den Kopf gestellt und genießen schon in der Adventszeit, was eigentlich der Weihnachtszeit vorbehalten ist: Die ersten Plätzchen gehören erst an Heilig Abend - nach dem Kirchgang und Bescherung - auf den Tisch. Das Festessen - das erste richtig tolle Essen seit Wochen - wird am 1. Weihnachtstag (Kompromiss: Heilig Abend) genossen. Dann singt man Weihnachtslieder - vorher Adventslieder: das ist ein Unterschied: Erst wird die Erwartung und Sehnsucht zum Ausdruck gebracht - dann die Erfüllung der Verheißung und die Bedeutung dieser Geburt Gottes in der Welt.
Weihnachten ist dann auch nicht an Silvester oder eine Woche später vorbei, weil dann der Weihnachtsbaum entsorgt wird, sondern zieht sich weit in den Januar hinein, weil durch das Epiphaniasfest am 6. Januar, erst klar wird, was es mit diesem Licht Gottes auf sich hat, was die Welt in einzigartig neuer Weise „durchlichtet“ und bescheint.
Wir haben dieses Jahr die einmalige Chance, dass Advent und Weihnachten das entfaltet, was es eigentlich will: Nämlich eine geistliche Einkehr- und Freudenzeit. In dieser Reihenfolge, das ist wichtig.
Ich befürchte, dass wir das so nicht mehr machen, weil unserer Gesellschaft die geistliche Dimension in vielen Bereichen abhandengekommen ist. Deshalb füllen wir eigentlich geistlich gedachte Zeiten mit anderen Inhalten: mit Kaufgelüsten, Glühwein und Geselligkeit geben wir der Adventszeit eine neue Bedeutung. Weihnachten reduzieren wir auf ein Familienevent und den Ursprung der ganzen Geschichte reduzieren wir auf ein kindliches Krippenspiel-Event.
Dieses Jahr bietet uns die Chance, Verlorenes neu zu entdecken und wieder zu beleben. Machen wir was draus !
Und nun zur inhaltlichen Herausforderung des heutigen Hebräerkapitels.
Vom „Kampf des Glaubens“ und den Erziehungsmitteln Gottes.
„Run the race with endurance - Lauf das Rennen mit Ausdauer !“ Dieses Wort aus dem 12. Kapitel des Hebräerbriefs stand als Spruch an der Wand in einem Gästezimmer, in dem ich vor einigen Jahren in Beirut/Libanon während meines Sabbaticals untergebracht war. Es passte gut, denn solch eine berufliche Auszeit dient - wie der wöchentliche - Sabbat/Sonntag der Regeneration. Tatsächlich besteht die Gefahr des Leerbrennens. „Burnout“ ist nicht nur eine häufige Diagnose, wenn man nicht mehr so weiter (arbeiten) kann wie bisher, sondern ist nicht selten ein Gefühl, das uns bestimmt.
Der Schreiber des Hebräerbriefs richtet seine Worte an Gläubige, die mit Gott einen guten Anfang gemacht haben, denen aber nun die Luft ausgeht. Nicht nur in Bezug auf das Leben mit Gott ist das die Herausforderung, sondern auch in einer Freundschaft oder Ehe. Am Anfang ist alles wunderbar, sogar begeisternd, frisch und neu. Aber dann - nach einer mehr oder weniger langen/kurzen Zeit, kommt die Routine und die eine oder andere Enttäuschung ernüchtert. In meinem absoluten Lieblingsweihnachtsfilm „Rendezvous mit einem Engel“ sagt dieser zum Pastor, dem er zu Hilfe eilt: „Man darf das Feuer nicht ausgehen lassen!“ Das stimm ! Kein Wunder, wenn das ein Bote Gottes sagt.
Unser Leben, unsere Beziehungen und das Glaubensleben sind eben kein kurzer Sprint - Jubel, Erfolg, am Ziel - sondern ein Langstreckenlauf.
Da ich im Winter viel mit Holz heize, weiss ich: solange noch Glut im Ofen ist, kann man viel leichter das Feuer entflammen, als wenn alles kalt ist. Immerhin geht es dann auch noch, ist aber mühsamer.
Dran bleiben, auch am Glauben.
Nicht aufgeben, wenn die Ernüchterung kommt und die erste Begeisterung verfliegt. Nicht hinwerfen, wenn Zeiten mit Fragen immer gewaltiger und die vermeintlichen Antworten immer fraglicher werden. Weitergehen, wenn man die Nase voll hat und nicht nur die anderen Gläubigen und sogar die Hauptamtlichen enttäuschen, sondern auch Gott. „So habe ich mir das mit dem Glauben, der Gemeinde und Kirche nicht vorgestellt!“
Dann - möglichst schon früher: „Schau auf Jesus! Den Urheber und Vollender des Glaubens!“ (Heb 12, 2) Mit ihm kannst du nicht nur durch stürmische Zeiten kommen, sondern dich auch deinen eigenen Schatten stellen. Wenn du darüberhinaus noch jemanden brauchst, um dich dem zu stellen: Wir haben haupt- und ehrenamtliche Seelsorger:innen, die du gerne ansprechen kannst. (Seelsorge ist immer erlaubt!)
„Gute Zeiten, schlechte Zeiten!“
Welche sind die prägenderen für unser Leben ?
Die einen sind wie Perlen für unsere Erinnerung. „Weißt du noch, damals, als wir...“ Wir bekommen ein Strahlen in die Augen, lächeln und innerlich steigen Bilder von glücklichen Tagen in uns auf. Tage voller Harmonie, Glück und Leichtigkeit des Seins. Besondere Höhepunkte unseres Lebens.
Sind schwere Zeiten, schlechte Zeiten ?
Unangenehm, hart, herausfordernd, an die Grenze gehend, zu viel, nicht zu schaffen, in die Knie zwingend. -
Der Hebräerbrief sagt: das können Erziehungsmaßnahmen Gottes sein. (Heb 12, 5-11) Ob Gott solche Zeiten gezielt herbeiführt oder lediglich zulässt ?
Schon die Diskussion um die Formulierung im Vater unser „Führe uns nicht in Versuchung!“ zeigt, wie schwer das zu entscheiden ist. Im heutigen Text steht: „Mein Kind, denke nicht geringschätzig von der Erziehung (andere übersetzen: Züchtigung) des Herrn!“ (Heb 12, 5) Das wurde oft missbraucht, um teils brutale Erziehungsmethoden durch Menschen (auch in christlichen Heimen) zu rechtfertigen. Im Nachklang des Aufbruchs der 68er des letzten Jahrhunderts, haben wir erfreulicherweise viel aufgearbeitet, bekannt und gelernt.
Ich verstehe es so, dass schwere Zeiten, „Erziehungszeiten“ unseres Lebens sind.
Solange es uns nicht das Leben kostet, können wir uns wieder daraus erheben. Wir bleiben nicht als zerstörte Wesen zurück, sondern haben überwunden, gelernt, sind über uns selbst hinausgewachsen und: wir haben aus unseren Fehlern gelernt.
Auf den letzen Aspekt legt der Hebräerbrief seinen Schwerpunkt. Es sind ja nicht gezielte Fallen, die uns von unseren Eltern (so der Vergleich bei Heb) gestellt werden, und von Gott auch nicht. Vielmehr machen wir uns selbst nicht selten das Leben schwer, weil wir nicht „aus unserer Haut können“, uns die Schatten der Vergangenheit lähmen, behindern, Nachwirkungen haben und uns der „Fluch der Vorfahren“ (nach Mose wirkt er bis in die 3.-4. Generation) trifft.
„Der himmlische Vater hat Gutes mit uns vor“, (v10) daran gibt es keinen Zweifel.
Gott ist vollkommen und heilig. Boah ! Stellt euch das Tollste vor, das ihr je gesehen oder erleben habt. Gottes Heiligkeit ist so überwältigend, wie das schönste Bild, das wir je gesehen und die wundervollste Musik, die wir je gehört haben. Heilige Orte lassen uns mit offenem Mund und sprachlosem Staunen ganz still werden. Weil das, was wir sehen so unfassbar ist, weil es mit unseren menschlichen Kategorien nicht beschreibbar ist. Die Über-Steigerung all dessen ist Gott !
Und schließlich setzt Gott noch einen drauf: Wir sollen dabei sein !
Ganz nah an ihm - ein Teil davon ! (v10) Wie sollen wir denn heilig werden, ohne Entwicklung ihm entgegen ? Ohne Einfluss und Prägung des Heiligen ? Wie soll das gehen, wenn wir so bleiben - fehlerhaft und unvollkommen - wie wir eben jeweils sind ? Das kann nicht klappen.
Eine „friedvolle Frucht der Gerechtigkeit“, soll am Ende herauskommen. (V11) Gerechtigkeit bringt Friede hervor. Eine Harmonie, die bleiben kann, weil alles im Lot ist.
Wie wenn man sich nach einem anstrengenden Tag ins Bett legt und feststellt: „Und siehe, es war sehr gut!“ Dann können wir diese Worte Gottes am letzten Schöpfungstag mitsprechen und den Sabbat, den Tag der Ruhe mit Gott genießen, in alle Ewigkeit !
Gottes Segen für den anderen Advent, wünscht euch Jürgen Seinwill