(Hebr 3,7-14 + 4,3-13 + 6,4-6 + 10,26-29)
Wir haben uns diese Woche intensiv mit verschiedenen Texten aus dem Hebräerbrief beschäftigt. Am Sonntag mit Hebräer 6,4-6 und am Mittwoch beim Themenabend zusätzlich noch mit Hebräer 3,7-13 + 4,3-13 + 10,26-29. All diese Texte haben ein Thema gemeinsam: Die Gefahr eines endgültigen Heilsverlustes, der auf eigene schlechte Entscheidungen zurückzuführen ist.
Das Ganze ist kein leichtes Thema. Es fühlt sich unangenehm an und es scheint sich auch dem verbreiteten Gottesbild zu widersprechen, das wir nahezu alle haben dürften: „Der liebe Gott, der alles dafür tut, dass wir bei ihm sein können.“ Wie kann es also sein, dass hier ein Gott dargestellt wird, der frustriert über seine Menschen ist und der ihnen sagt, dass es für sie, wenn sie nicht aufpassen, keine Chance mehr geben wird?
Wir haben am Mittwoch während des Themenabends verschiedenste Varianten diskutiert. Was könnten heute Umstände sein, in denen wir unser Heil real verlieren könnten und wie passt das alles mit dem Bild vom liebenden Gott zusammen, das sonst im Neuen Testament so dominant vertreten ist?
Ich bin dabei bei dem Gleichnis vom verlorenen Sohn hängen geblieben (Lk 15). Der verlorene Sohn (den wir mit uns identifizieren können) entscheidet sich bewusst, seinen Vater (den wir mit Gott identifizieren können) zu verlassen und sein Erbe (können wir mit den Möglichkeiten, Talenten, Umständen identifizieren, die uns Gott zur Verfügung stellt) verprasst. Erst als er in höchster Not zur Besinnung kommt, kehrt er schuldbewusst zu seinem Vater zurück. Der Vater nimmt ihn, gegen jede Erwartung, wieder in die familiäre Gemeinschaft auf und alles wird gut. Dieses Happy End scheint doch ganz fundamental der Intention des Hebräerbriefs zu widersprechen. Hier wird Gott dargestellt als jemand, der das unvergebbare vergibt und dort als jemand, der sagt: Das vergebe ich nicht mehr. Also können wir diesen Widerspruch überhaupt auflösen? Ja das können wir und zwar indem wir beide Texte aufeinander beziehen.
Wenn also Gott alle Schuld vergibt, wenn um Vergebung gebeten wird (an anderer Stelle spricht Jesus davon, immer wieder ohne Limit zu vergeben), dann kann es sich bei der „Unvergebbaren“ Schuld nur um Schuld handeln, für die nicht mehr um Vergebung gebeten wird. Diejenigen, die im Hebräerbrief gemeint sind, haben sich also so weit von Jesus Christus entfernt, ihm den Rücken gekehrt, dass es keine Umkehr mehr gibt, kein Schuldeingeständnis, keine Bitte um Vergebung. Sie haben mit Jesus gebrochen und solange es dabei bleibt, müssen sie die Konsequenzen tragen. Es gibt keine Errettung gegen ihren Willen. Und wenn wir uns nochmal das Gleichnis vom verlorenen Sohn anschauen, stellen wir fest, dass der Vater (also Gott) dem Sohn auch nicht hinterherläuft. Er kommt ihm zwar entgegen, aber der Sohn muss umkehren und sich auf den Weg nach Hause machen. Wäre er im fremden Land geblieben, wäre er verloren gegangen.
Was muss also passieren, dass sich jemand so von Gott entfernt, dass er am Ende verloren gehen kann? Auch da lohnt ein Blick ins Gleichnis. Es gibt nämlich noch den älteren Bruder des Sohnes und der ist ziemlich verbittert. Er macht alles richtig, ist immer da, gibt sich Mühe, aber eine Party, wie der Bruder sie bei seiner Rückkehr bekommt, kriegt er nie. Dabei hat der jüngere der zwei Brüder es doch eigentlich gar nicht verdient, nachdem was der alles angestellt hat und der ältere doch eigentlich umso mehr.
Ich persönlich kann den älteren Bruder so gut verstehen. Es scheint auch wirklich ungerecht zu sein. Wir „ticken“ so. Es verletzt unser Verständnis von Gerechtigkeit und dann kann es passieren, dass wir Gott den Rücken kehren und nie mehr zurückschauen: „Es hat nicht funktioniert.“ „Ich habe mich so bemüht.“ „Gott mag mich überhaupt nicht.“ „Schon seit Jahren habe ich ihn nicht mehr gespürt.“ Das sagen wir dann. Wir verbittern über unseren Glauben, sind erst sauer auf Gott und dann glauben wir, dass er entweder mit uns nichts zu tun haben möchte oder gar nicht existiert. Und dann lassen wir los. Drehen uns um und gehen weg von Gott. Für immer.
Im Gleichnis vom verlorenen Sohn motzt der ältere Bruder seinen Vater an. Er knallt ihm seinen Frust vor die Füße und damit hat er genau das richtige getan. Er lässt sein Herz nicht immer weiter verhärten, sondern sprich aus, was ihm im Herzen bewegt und so geht der Vater auch auf seinen ältesten Sohn einen guten Schritt zu. In Mt.19,8 benennt Jesus genau diese Herzenshärte, die verantwortlich ist, dass die Pharisäer das Heil nicht empfangen können.
Und so hoffe ich für uns, dass wir, wenn wir uns in der Rolle des ältesten Sohnes befinden, voller Frust, Verbitterung und Zweifel, nicht einfach Gott den Rücken kehren, sondern aussprechen, was uns bewegt, mit Gott schimpfen und streiten.
Sein Heil zu verlieren ist ganz ganz schwer, aber nicht unmöglich. Zum Glück haben wir, die wir zu zu Gott gehören, es selbst in der Hand.
Stefan Comes